Professeure de danse, cours de présence
Geboren in Santander, im Norden Spaniens, wuchs Ana María Alvarez de Eulate González in
Torrelavega auf, einer kleinen Industrie- und Arbeiterstadt in einem Tal zwischen Bergen und Meer ; Ana Eulate sollte später ihr Künstlername werden. Als Mitglied einer großen Familie lebte sie inmitten von Stimmen, Geräuschen und Spielen, in einer Umgebung, in der es oft eine Herausforderung war, gehört zu werden. Dies hat zweifellos ihre kommunikativen Fähigkeiten und ihre Vorliebe für verschiedene Ausdrucksformen entwickelt. Im Alter von sieben Jahren begann sie mit dem Tanzen, einer Leidenschaft, die sie seither nicht mehr losließ. "Ich bin mit dem Tanzen aufgewachsen, und das Tanzen hat mich wachsen lassen." Zunächst mit klassischem Tanz vertraut gemacht, erkannte sie, dass es andere Tanzformen wie zeitgenössischen Tanz gibt, den sie im Alter von 12/13 Jahren durch ein Buch von Carolyn Carlson über ihre Recherche in der Pariser Oper bei ihrer damaligen Tanzlehrerin Rosario Petri entdeckte. Darin sah sie Fotos, die ganz und gar nicht mit ihrem Ballettunterricht übereinstimmten. (Ihre Lehrerin würde ihr dieses Buch später schenken.)
Ein weiterer offenbarender Moment war eine Tänzerin während des Festival de Santander (das mit dem Festival d‘Aix vergleichbar ist), die zu Musik von Türgeräuschen auf Spitze tanzte, ein Stück von Maurice Béjart mit der Musik von Pierre Henry, wie sie heute weiß. Das zeigte ihr, dass es möglich ist die Dinge anders zu machen, dass man Regeln und Normen brechen kann, was ihr als Kind sehr gefiel. Ab dem Alter von 14 Jahren absolvierte sie ihre ersten Workshops im zeitgenössischen Tanz in der Nähe von Barcelona, wo sie vollständig entdeckte, dass Tanz komplett anders gedacht werden kann. Seitdem war es ihr Traum, dorthin zu gehen, wo zeitgenössischer Tanz ist. Sie setzte ihre Ausbildung im klassischen Tanz zu Hause fort, nutzte aber jede Gelegenheit, die sich ihr bot, an zeitgenössischen Tanz-Workshops teilzunehmen. Um diese zu finanzieren, begann sie zu diesem Zeitpunkt auch, Tanzunterricht zu geben. Im Alter von 17 Jahren arbeitete sie mit anderen Schüler*innen zusammen, um eine Hommage-Show für ihre schwer kranke Tanzlehrerin zu kreieren. Dieses heimlich vorbereitete Ereignis in einem Theater ermöglichte es ihr, wertvolle Fähigkeiten im Organisieren von Veranstaltungen zu erlernen und ihre Begeisterung für die Bühne weiter zu verfestigen.
In Madrid formalisierte sie ihre Ausbildung zur professionellen Tänzerin am Konservatorium und durch zahlreiche Workshops und studierte ebenso Philosophie an der Universität Complutense, um das Tanzen auch theoretisch zu hinterfragen, eine Orientierungshilfe für Choreografien zu haben und ihre Ideen zu vertiefen und zu strukturieren. Sie praktizierte klassischen und zeitgenössischen Tanz unter anderem bei Julia Estévez, Carl Paris und Christine Tanguay (die beiden letzten waren zu dieser Zeit Lehrer der Martha Graham-Technik). Immer auf der Suche nach neuen Horizonten, erkundete sie auch die Limón- oder Merce Cunningham-Technik, die Lester Horton-Technik, die kubanische Technik oder die Studie der Gesten der Toreros im Tanz. In New York lernte sie Release-Techniken und New Dance sowie alle möglichen Arten von Improvisation kennen, eine Art Tanz, der dem Körper, seiner Physiognomie und auch seinen inneren Räumen folgt. Diese, sowie somatische Techniken wie die AlexanderTechnik, die auf der Versöhnung mit dem Körper beruhen, haben Ana stark geprägt, auch in Bezug auf ihre Beziehung zu ihrem eigenen Körper. Nachdem sie das Glück hatte, in ihrer ersten Kompanie aufgenommen zu werden, erlebte sie auch zahlreiche Ablehnungen während ihrer Karriere. Diese Erfahrung lehrte sie, mit der Frustration umzugehen, die daraus resultieren kann. Darüber hinaus erlebte sie die prekäre Realität vieler Künstler*innen, die oft mehrere Jobs haben müssen, um den auszuüben, den sie am meisten lieben. Barcelona war ein weiterer wichtiger Schritt im Leben von Ana, wo sie sich in viele verschiedene Projekte stürzte. Dort gründete sie 1995 ihre eigene Tanzkompanie Compañía Pendiente, tanzte mit anderen Kompanien und kreierte eine Plattform für unabhängigen Tanz. Gleichzeitig war sie in lokalen sozialen Projekten und internationaler Zusammenarbeit engagiert (Guatemala und Mexiko).
Im Jahr 2000 erhielt sie ein Angebot, mit einer Theaterkompanie in Marseille zu arbeiten, was sie dazu brachte, zu ihrem damaligen Partner in Rognes, in der Nähe von Aix-en-Provence, zu ziehen. Diese Entscheidung führte dazu, dass sie seitdem in dieser Region geblieben ist, obwohl dies nicht ihr ursprünglicher Plan war und sie damals erwog, langfristig nach Spanien zurückzukehren. Sie sagte zu mir : "Du bemerkst nicht, dass du gerade bleibst." Allmählich verlagerte sie ihre Kompanie Compañía Pendiente von Barcelona, einer Stadt, der sie immer noch tief verbunden ist und die sie regelmäßig besucht, nach Rognes. Diese Transition wurde von einer Zeit der Koproduktion zwischen diesen beiden Städten begleitet. Compañía Pendiente wurde zu Tanz- und Theaterfestivals in Europa, Osteuropa, Lateinamerika, den USA, Algerien, Russland und Kanada mit ihren Kreationen und pädagogischen Aktivitäten eingeladen.
Ihr Arbeitsbereich konzentriert sich insbesondere auf die freie Szene, aber auch auf größere Strukturen. Dies macht Ana zu einer flexiblen Künstlerin, die in sehr unterschiedlichen Rahmenbedingungen arbeiten kann. "Mit der Zeit, dem Alter und dem Leben", wie sie sagt, konzentriert sich ihre Kompanie derzeit mehr auf pädagogische Projekte als auf künstlerische Kreationen ; eine Realität, die sie hinterfragt. Trotz weniger Möglichkeiten, auf der Bühne zu stehen, hat sie weiterhin eine regelmäßige Studio-Praxis aufrechterhalten, was für sie entscheidend, wenn nicht sogar das Wichtigste ist.
Zwischen 2017 und 2022 gründete sie mit zwei anderen Künstler*innen die Initiative Le Royal Cabanon, die über 10 Sessions im Rhythmus der Jahreszeiten als Plattform für lokale und internationale Künstler*innen diente.
In Übereinstimmung mit ihrer persönlichen Recherche zur Stimme als integraler Bestandteil des Körpers und dem Konzept der "Chor-Einheit" trat sie zwei Amateur-Chören in Aix-en-Provence bei : Agathe im Jahr 2004, einen Frauenchor unter der Leitung von Helene Guy, und derzeit seit 2018 der Chorgruppe Antequiem unter der Leitung von Philippe Franceschi. Im Jahr 2017 hat sie sich ebenso dem Team von Passerelles des Festival d‘Aix angeschlossen, um die Sensibilisierung für Oper durch Körperarbeit anhand von Tanz- und Bewegungsworkshops zu fördern - eine Vermittlungsarbeit, die sie sehr schätzt, da Oper viel mit Gesang und Stimme zu tun hat. Die Herausforderung für sie besteht darin, herauszufinden, wie die Oper während eines Workshops verkörpert werden kann, wie man sie im eigenen Körper spüren kann, wobei sie immer unterschiedliche Antworten je nach Publikum und den Opern, mit denen sie zusammenarbeitet, findet. Manchmal führen diese Workshops mit verschiedenen Organisationen zu weiteren beruflichen Kooperationen.
Was ihre Position an der Universität Aix-Marseille betrifft, so schlug Catherine Anaya, pädagogische Koordinatorin, Ana vor, das atelier de présence im Rahmen des Masterstudiengangs Kulturelle Mediation der Künste zu leiten. Sie kennen sich, da Catherine Tanzkurse für Erwachsene bei Ana besucht hat. Was Catherine nicht weiß, ist, dass Ana auch zufällig ihre Vorgängerin, Eléonore, kennt. Ana und Eléonore trafen sich bei einem Tanzkurs, den Ana im Rahmen ihrer Recherche eines Schulprojekts in Rognes besuchte, um eine Forschung über Tänze aus aller Welt durchzuführen. Anschließend arbeiteten sie auch künstlerisch zusammen (auf Anas Vorschlag hin, mit einer Sängerin und einem Esel in Ongles). Da Eléonore zu dieser Zeit bereits von ihren atelier de présence erzählt hatte und dies bei Ana großes Interesse geweckt hatte, zögerte sie nicht, das Angebot von Catherine anzunehmen und Eléonores Nachfolgerin zu werden, die in Mutterschaftsurlaub gegangen und umgezogen war. Diese Anekdote zeigt deutlich Anas Bereitschaft, Beziehungen zu knüpfen, neue Menschen kennenzulernen, zusammenzuarbeiten und ständig auf der Suche nach Neuem und im ständigem Rechercheprozess zu bleiben. Sie jongliert immer mit mehreren Projekten gleichzeitig und ist das perfekte Beispiel dafür, dass es sich immer lohnt, offen für die Verflechtungen des Lebens zu bleiben. Derzeit arbeitet Ana auch an einer Neuinterpretation eines alten Stücks in Zusammenarbeit mit einer Tänzerin aus Barcelona im Rahmen eines Theaterprojekts zum Thema "Archiv des Gedächtnisses". Was sie interessiert, ist, einem Werk, das bereits viel herumgekommen ist, neues Leben einzuhauchen du zu schauen, wie sich das Stück mit der zeitlichen Distanz und dem eigenen Alter neu formen wird, anstatt einfach ein vorhandenes Repertoire zu reproduzieren. Und natürlich die Gelegenheit zu haben, wieder auf der Bühne zu stehen – eine Möglichkeit, ihre tiefste Leidenschaft auszuleben und für uns ihr dabei zuzusehen
Portrait von Sonja Baumeister geschrieben.
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